Scheibel Mühle in WhiskyNews

GESCHICHTE

Zu den jüngsten Whiskybrennereien Deutschlands gehört sicherlich die Scheibel Mühle in Kappelrodeck. Im Sommer erschienen ihre ersten beiden Whiskys mit Namen Emill. Doch beginnen wir im Jahr 1899. In diesem Jahr wurde Emil Scheibel geboren. Wie zu dieser Zeit üblich musste Emil schon in jungen Jahren im elterlichen Betrieb, einer Getreidemühle, mit anpacken.

Er wird als „rechter Dickschädel, stets unangepasst, ein wenig stur vielleicht, doch im Herzen sanftmütig. Vor allem aber gilt er als Pfiffikus, der am liebsten seinen eigenen Weg geht. Kurzum: ein echter Charakterkopf“ beschrieben. Mit Anfang zwanzig übernimmt er die elterliche Mühle, in der Bauern ihr Getreide mahlen ließen und oft mangels Barem lieber mit Schnaps bezahlten.

Emil Scheibel kommt auf die Idee, diese weiterzuverkaufen, und so steigt er in den Handel mit Obstbränden ein. Schon bald trinkt man selbst in Berlin Brände von Scheibel. 1921 kann Emil einen alten Schwarzwaldhof mit Brennrecht erwerben – nicht weit von der Mühle – und steigt jetzt voll in das Obstbrand-Geschäft ein. Die Schwarzwald-Brennerei ist geboren.

Das Geschäft prosperiert. Der Name Scheibel wird schnell zum Synonym für hochwertige Obstbrände. Die Mühle dagegen wirft immer weniger ab. Irgendwann ist ihre wichtigste Funktion die Produktion von Strom, mit dem man immerhin etwa die Hälfte des Bedarfs der Brennerei decken kann. 1986 ist aber ihr Ende gekommen. Sie wird geschlossen, versinkt in einen tiefen Dornröschenschlaf und wird bestenfalls noch als Lager verwendet.

NEUBEGINN

2008 bringt Michael Scheibel, Enkel des Firmengründers, einen fassgelagerten Wodka heraus, den er sinnigerweise „Woodka“ nennt. Er soll die Initialzündung für die Idee gewesen sein, die alte Mühle wieder zum Leben zu erwecken und ihr auch eine sinnvolle Aufgabe zu geben.

Und so beginnen nur zwei Jahre später die Arbeiten zur Renovierung der Scheibel Mühle. Michael Scheibel achtet darauf, dass die Mühle behutsam und unter Erhaltung ihres ganz besonderen Charakters renoviert wird. Die Einrichtung wird dem Gebäude angepasst und nicht umgekehrt. Und so verspürt man heute spontan Lust, sich mit einem Glas Whisky in eines der Stockwerke zu setzen, dem Whisky beim Reifen zuzusehen und ansonsten einfach nur die wunderbare Atmosphäre des Gebäudes in sich aufzunehmen.

Die Mühle ist klar gegliedert in vier Stockwerke: Im ersten Stock befinden sich die drei Brennblasen, der Verkaufstresen und Platz für die Fässer, in denen der Whisky ein etwa dreimonatiges Finish erfährt. Im zweiten Stock steht ein gewaltiges, 2000 Liter großes Fass, in dem der Spirit auf die Abfüllung in die Fässer wartet. Außerdem liegen auf dieser Ebene neue Fässer aus deutscher Eiche mit einem Fassungsvermögen von 240-250 Liter. Das dritte Stockwerk gehört den Cognacfässern mit einem Fassungsvermögen von 300 bis 450 Liter. Im vierten Stock stehen neue, heavy toasted American Oak Casks in der üblichen Größe von um die 200 Liter.

Doch auch die Moderne kommt nicht zu kurz. Die Mühle wurde um einen Anbau zur direkt vorbeifließenden Acher hin ergänzt. Große Fensterflächen öffnen den Blick zum breiten Bachbett. Der hohe Raum wird dominiert von einem alten Industrietisch mit einer nicht weniger als sechs Meter langen und mehr als einem Meter breiten Tischplatte aus einer 280 Jahre alten Eiche.

Jedoch fällt der Blick zuerst auf ein 16 Quadratmeter großes, buntes Fenster. Geschaffen wurde es von dem Steinbacher Glaskünstler Andreas Linnenschmidt unter tatkräftiger Mithilfe des Hausherrn. Das abstrakte Bild spiegelt die Landschaft der Region wider. Bei Sonnenschein legt sich das Abbild wie ein Teppich auf den dunklen Schieferboden. Hier in der „Zitadelle“ finden unter anderem Tastings statt.

WHISKYHERSTELLUNG

Seit 2014 wird Whisky produziert. Chefdestillateur Frank Blechschmidt bezieht die fertige Maische aus Alpirsbach, das Malz hierzu kommt von Weyermann aus Bamberg. Mit Tanklastzügen werden jeweils 28000 Liter angeliefert, was für eine Produktion von zwei Wochen reicht.

Die drei, jeweils 1000 Liter fassenden Brennblasen mit ansteigendem Schwanenhals (lyne arm) stammen vom deutschen Brennanlagenhersteller Carl. Zwei dienen als Wash Still, eine als Spirit Still. 2000 Liter Maische ergeben 1000 Liter Rohbrand.

Der fertige Spirit wechselt zur „erholung“ zunächst in den sogenannten „Vorreifer“, das 2000 Liter fassende Großfass. Erst nach zwei Tagen wird in die eigentlichen Fässer abgefüllt, wobei allein die Schwerkraft die Arbeit erledigt. Auf Pumpen wird ganz bewusst verzichtet.

Diese weisen eine Besonderheit auf, die einmalig in Deutschland ist: Die Spunde sind mit einem großen Wachssiegel versiegelt; ein Ergebnis aus der Zusammenarbeit mit dem zuständigen Zollamt Oberkirch.

Die Lagerung in den vier Stockwerken ähnelt dem Konzept der amerikanischen Destillerien. Im ersten Stock liegen die Temperaturen für gewöhnlich zwischen 10 und 15 Grad, im obersten Stockwerk kann es im Sommer auch schon 35 bis 45 Grad warm sein.

ABFÜLLUNGEN

Der Whisky hat – als Hommage an Firmengründer Emil Scheibel – den Namen Emill erhalten, ein Wortspiel in dem zugleich die Mühle steckt. Aktuell gibt es zwei Abfüllungen namens Stockwerk und Kraftwerk. Stockwerk heißt der Single Malt Whisky in Trinkstärke mit 46%. Von ihm wurden 1200 Flaschen abgefüllt. Kraftwerk ist das fassstarke Pendant mit 58,7%. Davon gibt es nur 500 Flaschen.

Beide Single Malts sind eine Marriage aus Fässern aus deutscher Eiche, amerikanischer Eiche und solchen, in denen zunächst Cognac reifte. Dieses Cuvée erhielt abschließend für drei Monate noch ein Finish in einem vierten Fass. Die Whiskys wurden weder gefärbt noch kältefiltriert.

Für den Single Malt Whisky wurde eine attraktive Karaffe ausgewählt, die von einer hochwertigen Box geschützt wird. Gleiches gilt auch für die Miniaturen. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Beide Abfüllungen sind ausschließlich in der Brennerei erhältlich.

DANKSAGUNGEN

Abschließend möchte ich mich herzlich bedanken bei Lisa Koch für die exzellente Planung, die zahlreichen Informationen und Fotos, bei Nick Hausperger für den netten Empfang und die wunderbare Führung und bei Michael Scheibel für die herzliche Gastfreundschaft, das überaus interessante Gespräch und die Zeit, die er sich für uns genommen hat.

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Erschienen in Ausgabe 79 der Armond Dishers WhiskyNews.
Autor: Armin Schüssler