Ein Haus mit besonderer Energie

Michael Scheibel hat die Mühle aus dem Dornröschenschlaf erweckt

Von Michael Moos

7. November 2015. Den Whisky schreibt Michael Scheibel ohne „e“ – wie in Schottland. Und Eis darin – das geht gar nicht. „Zum Mixen viel zu schade“, sagt der 63-jährige Kappelrodecker, der schon bald „echten Achertäler Whisky“ auf den Markt bringen will. Der hochprozentige Inhalt der ersten 50 Fässer aus Kappelrodecker Produktion reift seit einem Jahr in der aufwendig sanierten Scheibel-Mühle im Grünen Winkel direkt gegenüber der Pfarrkirche. Die Whisky-Brennerei in dem gut 200 Jahre alten Gebäude wird in der kommenden Woche eingeweiht. Den Einweihungstermin hat Michael Scheibel bewusst auf den 11. November gelegt. Es ist der Geburtstag seines Großvaters Emil Scheibel, der das Familienunternehmen gründete, das Michael Scheibel heute in der dritten Generation führt (siehe „Hintergrund“). Seit 125 Jahren steht die ehemalige Mühle, deren Geschichte auf die einstigen Herren von Rodeck zurückgeht, im Besitz der Familie Scheibel. Michael Scheibels Urgroßvater Gustav war es, der die sogenannte Bannmühle im Sommer 1890 von Müller August Roth erwarb und fortan selbst betrieb. Besonderes Markenzeichen ist das innen liegende Mühlrad, angetrieben vom Wasser der Acher, das in einem Kanal unter dem Haus hindurch fließt. Das hat sich bis heute nicht geändert: Die Francis-Turbine mit einer Leistung von 20 Kilowatt liefert seit Jahrzehnten rund die Hälfte des Stroms für die ein paar Schritte entfernt gelegene „Schwarzwald-Brennerei“. Mehr als 30 Jahre lag die Scheibel’sche Mühle im Dornröschenschlaf. In den 1980er Jahren wurden die Mahlwerke abgestellt, mit denen Müller Anton Vogel wie seine Vorgänger Konrad Fritz und Emil Scheibel das Korn der Bauern gemahlen hat. Das bedeutete auch das Aus für die Nudelproduktion sowie für die Backstube und die Bäckerei. Es war Michael Scheibel, der vor ein paar Jahren die zündende Idee hatte, wie das Stammhaus der Brennerei zu neuem Leben erweckt werden kann: „Die Mühle passt wie maßgeschneidert zum Whisky“, erklärt Scheibel, „hier wurde früher Getreide gemahlen – und auch der Whisky wird aus Getreide gebrannt“. Hinzu kommt, dass die alte Mühle perfekt geeignet ist für die Herstellung der neuen Kappelrodecker Spezialität: Zwischen dem durch den Acherkanal feuchten Erdgeschoss bis hoch unters Dach lagern die aus hochwertigen Eichenhölzern gefertigten 220-Liter-Fässer auf vier Ebenen bei höchst unterschiedlichen Bedingungen und Temperaturen. Schließlich gelten nicht nur das Holz der Fässer, sondern auch die jeweilige Bauart des Lagerhauses und das Mikroklima als wichtige Faktoren für die mindestens dreijährige Reifung des Whiskys. Für Michael Scheibel war es keine Frage, dass die alte Mühle möglichst originalgetreu restauriert wird. Dabei half die Aufnahme des Areals in die Ortskernsanierung – dennoch galt es viele Hürden zu überwinden. „Es gab kaum eine Behörde, die wir nicht einschalten mussten“, sagt Scheibel heute. Unter anderem mussten die Vorgaben des Hochwasserschutzes eingehalten werden, und auch eine Fischtreppe wurde gebaut. „Zum Glück war das Gebäude in einem außergewöhnlich guten Zustand“. In den Farben des Schwarzwalds – schwarz, grün und rot – gewandet, präsentiert sich das zweigieblige Gebäude heute als Schmuckstück im historischen Ortskern von Kappelrodeck. Von dem Baiersbronner Architekten Peter Weber behutsam integriert wurde auf der Rückseite ein Neubau, in dem die großzügig verglaste „Acher-Lounge“ mit direktem Blick auf das Wasser eine ganz besondere Atmosphäre verströmt. Der Clou jedoch ist das von dem Steinbacher Glaskünstler Andreas Linnenschmidt geschaffene 16 Quadratmeter große Fenster, der ganze Stolz des Bauherrn. Die Herstellung des Kunstwerks mit heimatlichen Motiven hat ein halbes Jahr gedauert, und Michael Scheibel hatte viel Spaß daran, sich daran selbst handwerklich zu betätigen: „Das Bild ändert sich mit dem Sonnenstand und legt sich wie ein bunter Teppich auf den dunklen Boden.“ Scheibel: „Es ist eben ein Haus mit einer ganz besonderen Energie.“ Dieser Artikel ist im Acher-Bühler-Bote am Samstag, dem 7.11.2015, erschienen. Pressebericht als PDF herunterladen